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nur logoStop Deportation- Equal Rights for Refugees >> Aktionstage in Karlsruhe gegen Ausgrenzung und Rasissmus.

Niemand flieht ohne Grund

Weltweit sind über 50 Millionen Menschen auf der Flucht. Sie fliehen vor Krieg, zerstörten Lebensgrundlagen, vor Hunger und Tod, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Nur wenige schaffen es bis nach Europa ins ,,gelobte Land,, – die meisten schaffen es nur ins Nachbarland. Im Libanon beispielsweise kommen auf knapp 6 Mio. Einwohnern, 1,15 Mio. Flüchtlinge, über 1/6 der Bevölkerung. Ähnlich ist es in Jordanien wo 10% der Menschen Geflüchtete sind. Im Vergleich dazu ist die Aufnahmebereitschaft Europas kaum der Rede wert.
Für die Reise nach Europa, die Bezahlung der Schlepper und korrupter Beamter, legen viele Familien ihr gesamtes Vermögen zusammen, um nur eineN losschicken zu können. Viele überleben die Reise nicht.
Diejenigen die es schaffen sehen sich einem gewaltigen Verwaltungsapparat gegenüber, dem sie nachweisen müssen, dass ihre Flucht ,,berechtigt,, ist. Sie verharren teils jahrelang in Behelfsunterkünften und Aufnahmelagern, unter oftmals menschenunwürdigen Bedingungen. In dieser Zeit dürfen sie weder arbeiten, noch erhalten sie angemessene Auskünfte oder Bildungsangebote – sie überleben in ständiger Ungewissheit und Angst abgeschoben zu werden.
Es muss konstatiert werden, dass das Asylsystem Europas zusammen gebrochen ist. Nun wird versucht mit Abschreckungspolitik, mit der Unterteilung der Ankommenden nach wirtschaftlicher Nützlichkeit, mit der negativen Belegung sogenannter ,,Wirtschaftsflüchtlinge,, und mit ,,härteren Maßnahmen,, sowie ,,konsequenterer Abschiebung,, das Problem einzudämmen. Diese Politik bestärkt die rassistische Hetze und durch rechte Bewegungen geschürte Ängste. Pogromartige Ausschreitungen und Brandanschläge erinnern traurig an die Stimmung in den 1990er Jahren in Deutschland, als die letzte große Flüchtlingszuwanderung war. Damals reagierte die Politik mit einer Einschränkung des Asylrechts.
Diese Herangehensweise ist zutiefst unmenschlich. Zudem ändert sie nichts. Die Menschen die aus Verzweiflung fliehen, lassen sich weder durch harte Rhetorik noch durch Stacheldraht abhalten – Flucht ist ihre einzige Perspektive.
Bislang scheint zumindest die vielbeschworene „Willkommenskultur“ noch Mainstream zu sein, konkrete Verbesserungen gibt es jedoch nicht und die Stimmung könnte jederzeit kippen. Während sich Deutschland für dafür feiern lässt, spricht die politische Realität eine andere Sprache. Albanien, Kosovo und Montenegro sollen zur Liste der sogenannten „sicheren Herkunftsländer“ angefügt werden. Für die von dort kommenden gibt es Arbeitsverbote und sie dürfen die Erstaufnahmeeinrichtung nicht verlassen. Der LEA Aufenthalt soll auf 6 Monate verlängert werden, ihre Bewohner Wertscheine anstatt Geld erhalten. Um Abschiebungen zu vereinfachen, soll die Bundespolizei miteinbezogen, beschleunigte Verfahren eingeführt und Abschiebegefängnisse, wie in Pforzheim eingerichtet werden. Das sind alles Beispiele für die verschärfte Politik der Verschlossenheit.

Das Problem sind nicht die Flüchtlinge – sondern die Fluchtursachen

Seit Jahrhunderten bis heute wird der afrikanische Kontinent von Europa ausgebeutet. Die Konsum – und Wohlstandsgesellschaft in den Industrieländern profitiert davon, dass westliche Konzerne Öl, wertvolle Metalle, Uran und andere Ressourcen – geschützt durch Freihandelsabkommen – unter Bedingungen abbauen, die hierzulande undenkbar sind. Die Ergebnisse aus der Überproduktion in Europa, USA und China; Billigfleisch Exporte, Elektroschrott, Klimawandel zerstören die Lebensgrundlage vieler Menschen. Waffen europäischer Unternehmen werden in Kriegen und Bürgerkriegen im Nahen Osten und Afrika eingesetzt, die Außenpolitik der NATO trägt zur Eskalation bei, Großbanken spekulieren an der Börse mit Lebensmittelpreisen, die Konsumierenden geben der Ausbeutungs- und Produktionslogik mit ihrer „Geiz ist Geil“ Haltung recht.
Vor diesem Hintergrund ist die Aufnahme von Flüchtlingen in Europa keine lobenswerte Geste der Menschlichkeit sondern eine selbstverständliche Pflicht aufgrund historischer und aktueller Verantwortung. An den Fluchtursachen wird bislang spürbar überhaupt nichts gearbeitet.
Die Art und Weise mit der Flüchtlinge behandelt werden und mit der das das Thema hier diskutiert wird, sind dagegen beschämend unmenschlich. Geflüchtete werden kriminalisiert, diskriminiert, in Lager gesteckt und abgeschoben. In politische Rhetorik vom „illegalen Einschleichen in die Sozialsysteme“ wird von Teilen der Bevölkerung dankenswert aufgenommen, um ihrerseits für ihre Probleme und Verlustängste ein einfaches Feindbild zu haben. „Treten nach unten“ anstatt einer Auseinandersetzung mit den verantwortlichen Entscheidern und der eigenen Rolle. An vielen Stellen ist nicht die Spur von Mitgefühl erkennbar.
Auf der anderen Seite stehen die teils gelobten, teils gescholtenen „Gutmenschen“, die Kleidung sammeln, Essen verteilen, Sprachkurse geben – all die Aufgaben ehrenamtlich übernehmen, für die der Staat eigentlich verantwortlich ist, die er aber nicht ausreichend erfüllt. Dieses Engagement ist lobenswert, jedoch fehlt auch hier die politische Auseinandersetzung und das politische Statement mit klaren Forderungen, ohne die die Hilfsbereitschaft immer nur Feuerlöscher für staatliche Versäumnisse bleiben wird und nie für eine wirkliche Kultur des gemeinsamen Lebens und des Austausches dienen kann.

Endlich Verantwortung übernehmen

Es ist Zeit, das Europa und allen voran Deutschland, das sich selbst immer gerne an die europäische Politik setzt seine Verantwortung wahrnimmt.
Wir fordern, dass konkrete Schritte zur Bekämpfung der Fluchtursachen eingeleitet werden. Dazu gehören ein Stopp von Waffenexporten, eine verpflichtende Einhaltung europäischer Umwelt- und Arbeitsstandards europäischer Unternehmen und Subunternehmen in Entwicklungsländern, Faire Bezahlung und Handel als Gebot für allen Warenverkehr und nicht als bloßes Luxuswahrenzeichen, Anpassung der Löhne in Entwicklungsländern an europäische Standards, Verbot und strikte Kontrolle von Lebensmittelspekulationen an der Börse, konsequenter Stopp wirtschaftlicher oder politischer Zusammenarbeit mit Regimen, die keine demokratische Legitimation haben und Menschenrechte missachten.
Solange die Fluchtursachen bestehen, muss den Menschen in ihrer akuten Not geholfen werden. Dazu gehört, es müssen legale Zuwanderungswege geschaffen werden, anstatt Schleuser zu bekämpfen, um das Geschäft mit der Not zu beenden. Die europäische Grenzbewachung durch private Unternehmen (Frontex) muss gestoppt werden. Es müssen sozialer Wohnraum, Sprach- und Integrationsangebote sowie Infrastruktur und Bildungsmöglichkeiten in ausreichendem Maße geschaffen werden. Die dafür nötigen Gelder sind vorhanden – sie müssen in gerechter Weise in Europa frei gemacht und verteilt werden.
Die dauerhafte Separierung von Geflüchteten in Lagern muss aufhören und eine schnelle Eingliederung in Wohnungen und Gesellschaftlichem Leben muss erfolgen.
Die Diskriminierung anhand von Reisepässen ist unrecht – jeder soll das Recht auf Bewegungs- und Reisefreiheit haben.

Aktiv werden für eine politische Veränderung

Um eine wirkliche Veränderung herbei zu führen, müssen viele Menschen sich gemeinsam dafür stark machen. Die Missstände treten überall auf und es wird sich nichts ändern, solange die Menschen nicht aktiv werden.
Auch Karlsruhe ist ein Tatort der Unmenschlichkeit. Denn neben der Flüchtlingshilfe, die mit zahlreichen Helfern aktiv für Flüchtlinge ist, ist hier der Sitz der Landeserstaufnahmestelle LEA, des Bundesamts für Migration BAMF und des Regierungspräsidiums. Das BAMF spielt eine wichtige Rolle bei der Entscheidung über den Verbleib Geflüchteter. Um Asylverfahren zu beschleunigen, wird die Definition sogenannter „sicherer Herkunftsländer“ missbraucht und das individuelle Recht auf Asyl umgangen. Das Regierungspräsidium ist maßgeblich für die Abschiebungen im süddeutschen Raum verantwortlich. In 2015 wurden unter dessen Leitung bereits Dutzende Sammelabschiebungen vom Baden Airpark gemacht. Dabei wurden Junge, Alte, Kleinkinder und ganze Familien zurück in die Armut und Verfolgung geschickt. Die Abschiebungen werden mit allen Mitteln, auch mittels Gewalt gegen Protestierende durchgesetzt.
Am 30. und 31.Oktober wollen wir gemeinsam ein Zeichen setzen und mit den Aktionstagen in Karlsruhe gegen Ausgrenzung und Rassismus ein Signal in Richtung der verantwortlichen Behörden senden und die Bevölkerung wachrütteln.
Viele couragierte Menschen verleihen unseren Forderungen Druck und helfen einen Schritt in Richtung eines besseren Lebens für Geflüchtete und einer besseren Welt für alle zu gehen. Beteiligt euch.

Anti-Rassistisches Netzwerk Süd-West